Montag, 29. Juni 2009

Totenkult und Sterbekultur

Nur eines ist sicher, der Tod. - Nach diesem Motto bieten Bestattungsunternehmen immer bessere, immer umfassendere Vorsorgepakete an. Und das ob - oder gerade wegen - des tödlichen Konkurrenzkampfes, der seit Jahren auf dem Totenkult-Markt tobt. Grenzenlose Sicherheit wird von den Bestattern versprochen, grenzenlose Sicherheit für...danach. Ja! Meingott, hat man erstmal das trotz aller Absicherungen nicht ganz ungefährliche Leben überwunden, dann darf man sich endlich in Sicherheit wiegen. Der Mensch des spätchristlichen Abendlandes hat alles unter Kontrolle - selbst, dank St.Grieneisen und Co., den eigenen Tod. Alles? Oder doch eines nicht, seine gottverdammte Angst vorm Sterben. - Und so konfrontiert er sich damit am besten erst gar nicht; die Sorge um sein ach so wichtiges einmaliges Leben geht nahtlos über in die Sorge um seinen ebenso wichtigen Leichnam. Das, was dazwischen liegt, das schweigt er am besten tot. Und so wundert es nicht, dass der Totenkult für den einzelnen in den letzten hundert Jahren im gleichen Maße an Bedeutung gewann, wie die Sterbekultur zurückging.
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In den USA, die uns natürlich auch hier voraus sind, sterben heute ca. 80% der Menschen hospitalisiert, zum Trost gibt es Urnen im Micky-Mouse- oder Freiheitsstatuen- oder anderem todschickem Design...- Bei uns sind es vielleicht nur 75%, die abgeschoben und isoliert ihrer von der PR-Abteilung der Bestattungsunternehmen versicherten Sicherheit entgegensiechen, zumeist unter ähnlichen Bedingungen wie Schweine im Schlachthof. Der Lohn für den Verzicht auf ein würdevolles Sterben ist ein Eichensarg oder eine Urne in rosa... Und auch für die lieben Kleinen ist gesorgt, natürlich - ; achgott! - den viel zu früh Verstorbenen legt man nicht nur in Manhatten sondern auch in Berlin immer öfter Grabbeilagen in Form ihres Lieblingsspielzeugs auf die kalte Erde, unter denen ihre Gebeine im beschworenen Frieden ruh’n. Totenkult.
Selbst das omnipotente Internet ist nicht einmal vor ihm gefeit: Es gibt websites von toten Seelen, d.h. von ihren Hinterbliebenen, die nicht einmal wissen, wie pervers diese Zurschaustellung ist und ihr Unwissen damit dokumentieren, dass sie Leuten, die für ein humanes Sterben eintreten, todernst eine gegenseitige Verlinkung anbieten. Totgeburten werden zu Schmetterlingskindern und ihre Eltern schämen sich nicht, diese Föten per Foto zur Schau zu stellen... Totenkult? Oder ist das schon Leichenschändung?
In Deutschland gibt es eine Friedhofspflicht. Nur nebenbei, das Gesetz stammt aus jenen Zeiten, in denen die Überreste der vergasten Juden der NS-Kriegsindustrie zugeführt wurden. Seither darf Klein-Ernie beispielsweise die Urne seiner unsterblichen Geliebten nicht mehr unterm Bett aufbewahren, um auf ihrer Asche Tränen oder andere Flüssigkeiten zu vergießen; davor schützt der heilige Staat die heiligen Toten, ebenfalls schützt er die Gebeine von Groß-Bert davor, dass seine von ihm befreite Witwe sie in Einzelteilen an Medizinstudenten verkaufen kann...
Leichen oder ihre Überreste genießen nicht nur laut ihrer Bestatter Sicherheit, sie besitzen auch den Schutz des Staates. Aber wer sichert und schützt die Sterbenden?
Wir sind nekrophil. Der Ehrencodex der US-Rangers - und nicht nur dieser - besagt: Keiner wird zurückgelassen (No one gets left behind). - Und so gingen und gehen bis heute zwei, drei, zwölf oder wieviel auch immer Soldaten in den Tod, um einen einzigen Leichnam zu bergen...
Ein paar hundert Meter von meiner Wohnung entfernt ist das sowjetische Ehrenmal von Schönholz. Hier liegt das, was von ca. 4000 Soldaten übrig blieb, die zumeist im Mai 1945 im Kampf um Berlin ihr junges Leben ließen...- Ich überlege manchmal, was, wenn ich dieses gigantomanische Instrument des Totenkultes in die Luft sprenge? Werde ich dann zu mehr Jahren verurteilt als wenn ich in einem einzigen Fall sogenannter aktive Sterbehilfe leiste, indem ich einen Leidenden zu einem würdevollen Übergang in den Tod verhelfe?
Totenkult, wohin das Auge nicht nur - aber auch und besonders - in Berlin reicht.— Und was ist mit der Sterbekultur?
Noch vor hundert Jahren starben in Deutschland 75 bis 80% der Menschen im Kreise ihrer Familie, ebenso viele werden heute - wie gesagt - zum Sterben abgeschoben...
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Als Guilleaume, Marschall von Frankreich, sein Ende nahen sah, da veranstaltete er ein großes Fest, er teilte seine Besitztümer dabei auf, verabschiedete sich von seinen Freunden, seiner Familie - und ging stolz dem großen Unbekannten entgegen...- Das war im achsofinsterem (!) Mittelalter... Zu allem unserem Ärger ist auch noch das Protokoll dieses Sterbe-Events überliefert... - Es könnte uns daran erinnern, dass dies auch in Mitteleuropa einst das NORMALE war.
Bereits der unsterbliche Sophokles läßt seinen Aias sprechen: Ein würdiges Leben und ein würdiges Sterben, das ist es, was den Edlen auszeichnet. — In diesem Drama von vor ca. 2 1/2 Tausend Jahren geht es dann allerdings nur um die würdige Bestattung des Leichnams des Titelhelden...— Beides wird hier gefordert, beides. Indes: ein würdiges Sterben war selbstverständlich, nicht so der würdige Umgang mit dem Leichnam. - Das unterscheidet uns von Sophokles. Für die Leiche haben wir alle erdenkbaren Sicherheiten. Und das Sterben?
Auch in den Ländern der sogenannten Dritten Welt wird gestorben, an Hunger und anderem, was wir hier in Mitteleuropa unter Kontrolle haben. Dennoch ergaben Umfrage, dass die Menschen z.B. in Namibia sich weitaus glücklicher fühlen als die in der Bunten Republik Deutschland. Sterben gehört dort noch immer zum Leben..—
Elias Canetti, dem diese Vorstellung so fremd war wie jedem anderen Existentialisten, läßt in einem Drama die Menschen mit der Gewissheit auf die Welt kommen, wie viele Jahre ihnen daselbst verbleiben...- Natürlich entwickelt er ein pessimistisches Szenario, über den Schatten des spätchristlichen Abendlandes konnte er ebensowenig springen wie Sartre oder Beckett...—
Unser Freund Guilleaume glaubte an das Paradies, die Existentialisten an - bestenfalls - Heidegger...
Das ist egal. Vor dem Tod sind sie alle gleich. Du als Leser dieser meschuggen Zeilen, Du stirbst - und das ist todsicher; egal ob Du an ein Jenseits glaubst oder an Reinkarnation oder an gar nichts oder nur an Deine Angst davor. Es ist unabänderlich, du wirst sterben. Sterben wirst Du wie Guilleaume le Marshall und Elias Canetti, wie die verhungernden Kinder in Afrika und die Kriegsopfer im Irak... Die Frage ist, wie willst Du sterben? In Angst und Schrecken, isoliert von Deiner Umwelt, am Tropf... allein in der Gewissheit, für Deinen toten Leichnam vorgesorgt zu haben? Oder kannst Du Dir etwas anderes vorstellen?

Gastbeitrag von Heinrich S. Ehrenberg

Freitag, 26. Juni 2009

Anita 1963 - 2003

Die schönsten Frauen sterben jung

Dienstag, 23. Juni 2009

Samstag, 20. Juni 2009

Glückwünsche zum Wahlsieg

Der Schöne Fall
gratuliert Mahmut Ahmadi-Netschad zum überwältigenden Wahlsieg.
Wir sehen in ihm einen Staatsmann, der die Aufrichtigkeit, den wahren Glauben und die Fähigkeit besitzt, die islamische Revolution des großen Ajatollah Chomenii zu einem friedlichen Ende zu führen.
Mit großer Besorgnis stellen wir fest, daß der US-Terrorismus, nach seinen Überfällen auf Afghanistan und den Irak, offenbar - zumindest nach den Hetzreden seines Führers zu urteilen - aggressive Akte gegen den Iran plant.
Wir setzen unsere Hoffnung für eine friedliche Zukunft in Politiker wie Mahmut Ahmadi-Netschad, im gleichzeitigen Wissen, daß nur eine geeinigte islamische Welt auf Dauer der Eroberungspolitik des imperialistischen US-Terrorismus Einhalt gebieten kann.
HJS

Lieblingssong

"Wer gegen den Krieg ist, ist der nicht auch gegen die Menschen?" Kazuki Tomokawa

Anita Mui