Freitag, 14. August 2009

Märchen

Aus dem Nachlaß von Heinrich S. Ehrenberg (sen.) veröffentlicht Der Schöne Fall heute einen weiteren Text, ca. um 1980 geschrieben paßt er irgendwie zu dem, was unser freundliche Geist Walter Ulbricht im letzten Interview sagte:


Heinrich S. Ehrenberg

Märchen

Es war einmal ein mächtiger König. Dieser herrschte über ein gewaltiges Königreich. Ein Reich mit unüberschaubaren Äckern und Seen, mit riesigen Bodenschätzen, Erzen, die ungenutzt in der Erde lagen; dazu ungezählte Fabriken, in denen jedoch die meisten Maschinen still standen, denn den armen König quälte ein Problem, welches ihm manche schlaflose Nacht und einiges Kopfzerbrechen bereitete: Sein Land besaß zu wenig Menschen, genauer gesagt zu wenig Arbeitskräfte, die seine brachliegenden Schätze in wahre Reichtümer verwandeln konnten.
Um eine Lösung dieses Staatsproblems zu finden, berief der König seinen Rat mit allen Ordensträgern ein, in dem sich auch ein mannähnliches Wesen befand, das er nur deshalb in den Rat befohlen hatte, weil sich in seinem Kopf maskuline Skrupellosigkeit mit weibischer Durchtriebenheit paarte, der sogenannte Gynander.
Nach wochenlanger Debatten, die, wie dies im Märchen nun einmal so ist, zu keiner Lösung des Arbeitskräfteproblems führten, ergriff plötzlich dieser Gynander das Wort und sprach also: "Was, König der Könige, was wäre, wenn wir für unsere Zwecke die Weiber benutzen würden, die ansonsten nur wenige Jahre ihres Lebens für unsere Lust zu gebrauchen sind?"
Doch sofort begann es von allen Seiten Proteste und Einsprüche zu hageln und selbst dem zornig-betrübten Gesicht des Herrschers rang sich ein Lächeln ab.
"Wie soll es denn möglich sein, daß diese primitiven schwächlichen Wesen schwere Arbeit verrichten können?" fragte er schließlich, bereit auch den törichtsten Lösungsversuch loyal zu behandeln. Doch der Gynander fuhr unbeeindruckt fort: "Gibt es denn keine leichten Arbeiten? Diese werden wir von den Weibern, gegen ein geringes Entgeld, verrichten lassen, so bleibt die männliche Arbeitskraft für schwere Arbeiten frei und für solche, die etwas mehr Intelligenz erfordern..."
"Ja," sprach der König und griff sich an den Kopf, "Ja, das wäre eine Möglichkeit... Doch wer soll uns dann Kinder gebären, Soldaten und Arbeiter von morgen, wenn wir die Gebär- zu Arbeitsinstrumenten umfunktionieren?"
"Auch das ließe sich ohne weiteres einrichten," erwiderte indes lachend der Gynander, "de facto ist es doch schon längst so, daß das Durchschnittsweib höchstens einmal in fünf Jahren Junge wirft. Rechnet man dafür, inklusive Erholung, ein Jahr, so bleiben noch immer vier Fünftel dieses ihres ansonsten nutzlosen Lebens, in denen sie bisher müßig im Haushalt herumwandelte... (Und seine Stimme wuchs ins Pathetische) Diese müßige Zeit ist es, die frei wird, dem Staat und damit uns allen zu dienen!"
Da erhob sich ein brüllender Beifall im Rat. Und auch der König lachte befreit auf, denn plötzlich erschien ihm der Vorschlag des Gynanders als sooo einfach. Und nachdem der Reichsoberarzt konsultiert worden war und als solcher keinerlei Bedenken vorbringen konnte, dergestalt, daß sich die Einbeziehung der Weiber in den Arbeitsprozeß nicht etwa nachteilig auf den Fortbestand des Reiches samt seiner Armee ausüben könnte, wurde der Vorschlag des inzwischen Oberrat gewordenen Gynanders auf Befehl des Königs einstimmig angenommen.
Noch einmal nun bat der Gynander ums Wort und sprach: "Indes könnten wir den höchstmöglichen Nutzen für unser geliebtes Reich aus den Weibern ziehen, wenn wir sie nicht zur Arbeit zwingen, sondern sie gewissermaßen über ihr Recht auf Arbeit aufklären, will sagen, wenn wir an ihre Arroganz und Eitelkeit appellieren und ihnen vorgaukeln, daß ihre Männer sie unterdrücken, indem sie sie an der Entwicklung ihrer Persönlichkeit, sprich: an der Nutzenerbringung für unsere Reichswirtschaft, hindern..."
Auch dieser Rat wurde vom König, der sich dunkel entsann, als Prinz einmal ein vom Ausland eingeschmuggeltes Buch mit dem Titel "Der Kampf der Geschlechter" gelesen zu haben, befürwortet.
Und sofort begannen die großen "Aufklärungskampagnien" (sic!), die unter Titeln wie "Befreiung des Weibes" und "Frauenemanzipation" liefen - und zu Millionen fielen die dummen arroganten Weiber auf diesen Trick des Königs und seines Oberrates, der bald Träger des ersten "Frauenbefreiungsordens" wurde, herein und ließen sich in die Arbeitslisten einschreiben... Und noch weniger durchschauten die meisten Männer, die ihren Frauen an Dummheit um nichts nachstehen, den Betrug.
Diese zweite Versklavung der Frau geschah aber zur gleichen Zeit, zu der in einem Nachbarreich der Feldmarschall Johann Ferdinand Hehring die Schlagworte "Pazifismus", "Antimilitarismus" und "Sozialismus" als intellektuelles Betätigungsfeld für die überschüssige geistige Energie des gemeinen Volkes erfand.

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