Donnerstag, 8. Juli 2010

Esoterik, Wahn und Fußball

Der Beruf des Wahrsagers konnte einst gefährlich sein. Kam es in früheren Zeiten wohl nicht selten vor, daß die Wut eines Herrschers über ein schlechtes Orakel sich an der Person des Überbringers desselben ausließ & dies konnte für Hofastrologen und andere Seher tödliche Folgen haben.
Gottseidank, sagen Lieschen und Kurt Müller, Gottseidank leben wir in aufgeklärten Zeiten & kein Esoterik-Fuzzi muß um sein Leben fürchten, sollte er/sie Unheil prophezeien.
Wirklich?
Nachdem der deutsche Subprol gestern Abend seinen Frust über das Debakel SEINER Nationalmannschaft in Alkohol ersoff und in Randalen und Schlägereien auslebte steht für ihn heute bereits der Schuldige fest: Paul.
Nicht jener Seemann, den Georg Kreisler satirisch zum Sündenbock aller Spießer erklärte, ist gemeint, nein, es ist Paul, das Kraken Orakel, das alle Spiele der Bunten Deutschen Nationalmannschaft richtig voraussagte.
Morddrohungen hat das arme Tier inzwischen erhalten und im Boulevardfernsehen wird auf drastische, ja, martialische Weise an das Ende von Pauls Artgenossen erinnert:


Aber auch nach Spanien ist der Esoterik-Wahn gedrungen; Paul wird bejubelt und auf Plakaten durch's Land getragen. Man kann nur hoffen, daß die Quasi-Heiligsprechung des einen Kraken sich positiv auf die Lebenserwartung jener auf spanischen Speisekarten in Massen verzeichneten Artgenossen Pauls auswirkt. Dann hätte das Ganze wenigstens einen Sinn.
Dem deutschen Hobby-Esoteriker sei noch eine Beobachtung mitgeteilt, vor vier Jahren, da fehlte der Bunten Deutschen Mannschaft ihr Spielmacher Torsten Frings im Halbfinale ob einer Roten Karten, die er erhielt, weil er sich gegen unfaire Argentinier nach dem Spiel verteidigt hatte, diesmal war Müller gesperrt...---
Das muß doch Schicksal sein, oder?
Nicht nur Paul ist Schuld an der nationalen Katastrophe, sondern Paul und die gottverdammten Schiedsrichter!!! -
Prol übersieht dabei natürlich, daß Italien sich damals nur durch mehrfachen Betrug ins Halbfinale und weiter wurschtelte, grottenschlecht spielte und die Deutschen sich bemühten, dieses Niveau erfolgreich zu unterbieten. Spanien indes heute eine in jeder Weise würdige Weltmeistermannschaft ist, dem die deutschen Spieler nichts aber auch gar nichts entgegensetzen konnten.
Indes scheint - nicht die Niederlage - sondern das klägliche Spiel der Deutschen von gestern weder der Klasse der Spanier noch Pauls Orakel geschuldet zu sein, sondern eine ganz andere Ursache zu haben.
Man mußte diese Mannschaft vor dem Spiel nur auf den Platz schleichen sehen, um zu erkennen, daß sie verlieren wird. & das trotz der weltweiten Lobeshymnen. Die deutschen Spieler kamen viel zu zeitig und ein Blick auf Gesichtsausdruck und Körperhaltung bestätigte: Da ist Angst, Angst und vor allem Angst. - Man fragt sich, auch angesichts der finanziellen Mittel, die diese Mannschaft besitzt, was ist das für ein Coaching, dem es - im Gegensatz zu dem Spaniens - bei zwei Weltmeisterschaften nicht gelingt, diese Mannschaft von psychischen Blockaden zu befreien?
Eine Mannschaft z.B. wie die Uruguays, eine im Vergleich zur deutschen bettelarme Mannschaft, zeigte vielleicht nicht den besten Fußball, aber Kampfkraft und Siegeswillen & sie verlor nur durch ein regelwidrig anerkanntes Tor. Die Deutschen können sich glücklich schätzen, nicht so hoch verloren zu haben, wie sie es nach ihrer kläglichen Leistung gegen eine vor allem mental überlegene Mannschaft verdient hätten.
Ist Paul also wirklich an der Angsthasenmentalität und dem offenbar schlechten Coaching der zu Superstars Gehypten Schuld?

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