Montag, 24. Oktober 2011

Der Fortschritt schreitet unerbittlich fort: Ein neuer Höhepunkt der globalen Bestialisierung des Menschen

Nicht ihn (den Toten) verletzt du damit, vielmehr die göttlichen Gesetze. Unrecht ist es, einen tapferen Mann zu verhöhnen, nachdem er starb, war er zuvor dir auch verhaßt. (Sophokles, Aias, V.1344)

Ich las gerade James Hillmans Die Erschreckende Liebe zum Krieg. Zwar gibt es in dem schlecht und eher aphoristisch zusammengeschriebenen Buch einige Gedanken, die es durchaus lesenswert machen, dennoch, die eingangs gestellte Frage: Was treibt den Menschen zum Krieg (und damit zur Bestialisierung)? kann auch der amerikanische C.G.Jung-Schüler nicht beantworten... So mag die zunehmende Verrohung der Welt uns, die wir nicht abgestumpft sind, erschüttern und in Sorge stürzen, einen Hebel, um das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse wieder herzustellen, haben wir ebensowenig wie der Tiefenpsychologe...
Als damals Jugoslavien zerfiel, da waren die meisten Menschen noch schockiert über das Ausmaß der teils bis heute ungesühnten Kriegsverbrechen, zu denen nach dem Wegfall der sogenannten Diktatur Titows vom imperialistischen Terrorismus verhetzte, zuvor mehr oder minder friedliche Bürger fähig waren. Und dies geschah nicht etwa im fernen Afrika oder in Asien, nein, mit dem sogannten Bürgerkrieg war die Bestialität nach Europa zurückgekehrt, wo sie doch für viele friedensbewegte Einfaltspinsel quasi wie die Pest ausgestorben schien...
Und offenbar wirkte der jugoslavische Bürgerkrieg so traumatisierend auf die Friedensliebe der Europäer, daß diese Tschetschenien ebenso wenig zur Kenntnis nahmen wie Afghanistan, den Irak und schließlich Libyen...
Der Fortschritt dankt es ihnen, indem er immer weiter fort und fort und fort schreitet, so daß der Bestialisierung des Menschen (nach der vulgärdarwinistischen Heilslehre besitzt bekannterweise selbst der Wolf eine Menschennatur & Gottfried Benn ist nicht zuletzt deshalb heute out, weil er die Schweine beleidigte, indem er diese friedfertigen Tiere mit Menschen gleichsetzte) inzwischen grenzenlos erscheint:
Mußte man der Ermordung Saddam Husseins noch die Posse einer fadenscheinigen Legitimierung durch einen Schauprozeß voran stellen, so war die - folgt man der offiziellen Darstellung der Medien (deren Infragestellung wir in mehreren Beiträgen Raum gaben, so Es kann nur einen Teufel geben vom 2.5. d.J.) - Liquidierung des angeblich terrorismusverdächtigen Osama Bin Laden nicht einmal mehr durch eine Scheinjustiz (die sowohl Hitler wie Stalin noch nötig hatten) gedeckt.
Glaubte normales Mensch, der Höhepunkt der Bestialisierung der imperialistischen Welt wäre damit bereits erreicht gewesen, indem der vom Protestantismus verseuchte USamerikanische Mob diesen heimtückischen Mord an einem - nach bunten deutschem Recht zumindest - Unschuldigen feierte wie einen Sieg im Super-Bowl, so belehrten ihn die Fernsehbilder der letzten Tage eines besseren:
Das Zurschaustellen des vom imperialistischen Terrorismus bezahlten libyschen Mobs gelynchten Revolutionsführers Al-Gaddafi in einem Kühlhaus für Fleisch (!!!) in Misrata ist gleichsam widerwärtig wie gottlos & dokumentiert als solches das Fortschreiten der Bestialisierung des Menschen.
Mehr noch das Schweigen derer, die diese Leichenschändung via Fernsehen ins Wohnzimmer oder an den Frühstückstisch übertragen bekommen...
Ich muß gestehen, ich merke, wie bei diesen Bildern die Wut in mir zu kochen beginnt, die mich fast zur fiktiven Kalaschnikow greifen läßt, um - Gewalt zeugt bekanntlich Gegengewalt - diesem jegliche Religion und Moral verspottenden nekrophilen Voyerismus der Leichenschänder Einhalt zu gebieten. Und das hat - weiß mein Gott oder ihr Teufel - nichts mit der Treue meiner Sympathie zu dem zu tun, dessen Leiche auf's unwürdigste entehrt wird. Lägen dort nicht Al-Gaddafi und seine Getreuen sondern meinetwegen ein Kriegverbrecher Obama und seine Propagandaministerin Clinton, ich würde mich genau so empören!
In der Antigone, mehr noch im Aias des Sophokles gilt die Entwürdigung des toten Feindes als eines der übelsten Verbrechen gegen Menschen- und Göttergesetz... Wie weit ist die Bestialisierung der Welt in diesen mal gerade zweieinhalbtausend Jahren vorangeschritten, daß sich offenbar nur einer über den vom imperialistischen Terrorismus gesteuerten libyschen Mob, der ob seiner Schandtaten längst aus der Gnade Allahs heraus gefallen ist, echauffiert???

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