Mittwoch, 30. November 2011

Vom Umgang mit Mördern und anderen Irren

Ja, wir sind Landstreicher auf Erden. Wir wandern Wege und Wüsten, zuweilen kriechen wir, zuweilen gehen wir aufrecht und zertreten einander.  (Knut Hamsun, Das letzte Kapitel)

Die Michael Jackson Fans sind empört. Und diese Empörung ist mehr als gerechtfertigt: Vier Jahre Haft für den Mörder ihres Idols... Vier Jahre, von denen er - dank Überfüllung der Gefängnisse im (Polizei-)Terrorstaat USA - wenn überhaupt nur einen Bruchteil absitzen wird.
Wäre Murray statt Mediziner beispielsweise Metzger (Der Unterschied zwischen diesen beiden Berufen ist gar nicht so groß, er nivelliert sich in den letzten Jahren quasi progressiv) & hätte er als solcher mit seinen berufsspezifischen Werkzeugen Michael Jackson ermordet... Nun: dem sogenannten King of Pop und seinen Fans wäre Gerechtigkeit widerfahren.
Auch Anders Breivik ist empört. Und - es wäre uns vor ein paar Tagen nicht im Traume eingefallen - wir haben Mitleid mit diesem verrückten Massenmörder.
Das angebliche Gutachten zweier als sogenannte Psychiater ihr perverses Unwesen treibender Schreibtischtäter bescheinigt Breivik Unzurechnungsfähigkeit.
Hinter diesem dem Anschein nach harmlosen Wort verbirgt sich für das Gericht die Möglichkeit, Breivik auf unbestimmte Zeit (im Extremfall lebenslang) der Folter perverser Schreibtischtäter auszuliefern, die in Norwegen traditionell mehr Narrenfreiheit besitzen als in den meisten anderen Ländern.
Der Schöne Fall findet: Auch ein Breivik hat das Recht auf Gerechtigkeit.
Wir denken an Knut Hamsun... Das größte Genie Norwegens wurde wegen genau 11 (ELF!) kurzen Zeitungsartikelchen weiland für unzurechnungsfähig erklärt - was die norwegischen Kriegsgewinnler nicht hindert, ihn zu enteignen und zu ächten - und der Obhut eines gemeingefährlichen Psychiaters ausgeliefert, der sich auf Kosten des - nach unserer Meinung - größten Erzählers aller Zeiten profilieren wollte und sich de facto mit seinen Schandtaten profilierte.

Knut Hamsun vor
und nach der Behandlung
durch einen karrieregeilen
Schreibtischtäter













Und warum?
Weil sich kein norwegischer Kleingeist traute, den Nobelpreisträger wegen Hochverrat vor Gericht zu stellen.
So machte man es sich einfach & - ganz nebenbei - das Unrecht am Größten Sohn Norwegens ist bis heute nicht revidiert worden.
Hamsun wollte den Prozeß, er wollte Gerechtigkeit. Er kämpfte mit allen Mitteln darum. Doch die Angst der norwegischen Spießer war stärker.
Was hat sich seit damals verändert?
Nichts.
Und was verbindet den in jeder, aber nur jeder erdenklichen Weise unschuldigen Knut Hamsun mit dem geständigen Massenmörder Breivik?
Die Haltung der Spießer, die leider nicht auf Norwegen begrenzt bleibt: Man erklärt Menschen, deren Tun man nicht versteht, für unzurechnungsfähig. Es ist dies der gleiche Mechanismus, der ob des Nichtverstehens des Anderen den kleinen gewöhnlichen alltäglichen Faschismus schafft.
Dieser Faschismus des norwegischen Spießers war es, der den standhaften, auch nach 1945 - als europaweit nun ehemalige aktive Nazis begannen, sich gegenseitig Persilscheine auszustellen und in ihren Kellern nach (symbolischen) versteckten Juden zu fahnden - bekennenden Nationalsozialisten Knut Hamsun für unzurechnungsfähig erklärte.
Das klingt so paradox wie es wahr ist.
Für den Ewigen Spießer (Horváth) Norwegens, der wie kaum ein anderer seine faschistoide Denkweise aus dem unlösbaren Konflikt seiner Gesellschaft zwischen dem Leitbild eines aktiven Christentums und der Realität des materialismus-anbetenden Kapitalismus bezieht, kann ein Anders Breivik ebenfalls nur unzurechnungsfähig sein.
Und so verwundert es nicht, daß die wichtigste Funktion für die als Psychiater fungierenden kranken Schreibtischtäter diese ist: dem Spießer die Angst vor dem Fremden, den Anderen zu nehmen, eine Barriere zu errichten zwischen der Welt der Zu- und jener der Unzurechnungsfähigen.
Das beruhigt. Das beruhigt ungemein. Nicht die Gesellschaft ist krank, nein, jene sind es, die sei es in Wort (Knut Hamsun) oder mit Tat (Breivik) gegen die Spielregeln der dekadenten kapitalistischen Gesellschaft verstoßen!
Hamsun mußte unzurechnungsfähig sein, weil er am 7.Mai 1945 einen Nachruf auf Hitler veröffentlichte.
Breivik, weil er am 22. Juli 2011 siebenundsiebzig Menschen ermordete.
Für die Spießerseele gibt es da keinen Unterschied!
Für uns schon. Breivik sieht nicht nur so aus, er ist wahrhaftig ein Kind dieser faschistoiden kapitalistischen Spießergesellschaft, sein Wahnsinn besteht darin, daß er das Spießerdenken zu seiner Spießerrealität erhob.
Hamsun war ein Genie. Und ein Genie ist immer ein Antispießer und nicht den Spielregeln der Gesellschaft verpflichtet.

Es ist nicht leicht zu erkennen, wer verrückt ist und wer vernünftig... (Knut Hamsun)

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