Sonntag, 14. März 2010

Die kranke Gesellschaft ist die Gesellschaft von Kranken

Du bist krank, sagen alle. Du mußt zum Arzt, sagen sie...
Tatsächlich: Ich fühle mich krank, ich bin ausgebrannt, depressiv, am Boden, habe Fieber und sogar Schmerzen...
Was ist Krankheit? Ist Krankheit etwas, was von außen kommt, von Viren, Bakterien was auch immer... Oder?
Ist es denn ein Wunder, wenn ich nach zehn Jahren bewußten Lebens jenseits der Spielregeln dieser Gesellschaft, nach zehn Jahren täglichen stündlichen Kampfes ums Überleben, keine Kraft mehr habe? Zehn Jahre Kampf - und Niederlagen. Wenn man dabei obendrein alles, aber auch alles, was einmal lieb und wichtig war, verloren hat, ist es nicht nur zu GESUND, daß man dann am Boden liegt mit dem Gefühl, nicht mehr hoch zu kommen?
Hätte ich das nötige Geld, ich würde in die Sonne fliegen...--- Zwei Wochen in Asien & ich wäre wieder 100% fit.
Aber ich habe es nicht. Und ich bin zu ehrlich, mir Geld zu leihen, das ich vielleicht nicht zurückzahlen kann... Mir fehlt jegliche kriminelle Energie.
Schon hier zeigt sich, daß Krankheit auch und besonders ein gesellschaftliches Phänomen ist.
Ich bin WIE JEDER an meiner Krankheit selbst schuld. Keiner hat mich gezwungen, gegen den Strom dieser Gesellschaft zu schwimmen, keiner, jene Fehler zu machen, die ich dabei machte...- Für die Folgen dieses mein ungesundes Leben hat man ein modernes Wort erfunden: Burn-Out-Syndrom.
Gibt es das Burn-Out-Syndrom bei sozial intakten Völkern? Natürlich nicht, die Gemeinschaft fängt den Einzelnen rechtzeitig auf und muß ihm nicht das Etikett Krankheit anhängen.
Die spätkapitalistische Gesellschaft hat für alles ein wunderschönes Wort: Entfremdung nennt man z.B. den Verlust des Gemeinschaftsgefühls des Einzelnen, sein Ausgeliefertsein unter die Maschinerie eines kaum durchschaubaren Verwaltungsapparates, der das Identifikationsgefühl unter den Menschen der zivilisierten Völker verhöhnend ersetzt.
& die Opfer dieser Entfremdung, es sind halt Kranke.
Der Säufer wird zum Alkoholkranken,
Der Drogenkonsument zum Drogenkranken...
Ja, es gibt bereits Studien, die Rassismus als Krankheit definieren und Sexbesessenheit ebenfalls!
Was ist der Sinn dieser Pathologisierung?
Lebensumstände machen den Säufer zum Säufer, es ist kein Virus, kein Erbkrankheit, kein Defekt... Der Säufer ist für sein Tun selbst verantwortlich. Seine Entscheidung ist frei, seinen Sorgen, Ängsten, Katastrophen mit anderen Mitteln zu begegnen als mit dem Griff zur Flasche. Ist er für sein Tun, so ist er für die Folgen dieses Tuns ebenso verantwortlich. Eine Pathologisierung nimmt ihm diese Verantwortung, nimmt aber auch seiner Umwelt die Chance, ihm bei der Bewältigung seiner Probleme zu helfen. Ist er doch krank & für die Heilung von Krankheit hat die Gesellschaft keine mitfühlenden Menschen vorgesehen, sondern Ärzte, Aparatschiks, die ein seit 100 Jahren überholtes Weltbild tradieren.
Ist das Trinken aber wirklich die Krankheit des sogenannten Alkoholkranken? Nein, sie ist nur sein mißglückter Heilungsversuch jener Probleme, die ihn zum Trinken brachten, fing er doch mit Trinken an, um diesen Problemen zu entfliehen. Deshalb heißt es auch so schön, der Mensch bleibt auch nach erfolgreicher Behandlung alkoholkrank, er muß sein ganzes weiteres Leben auf die Droge Alkohol verzichten.
Ist er also geheilt?
Nein. Es wurde ja nichtmal der Versuch dazu unternommen.
Die Pathologisierung indes schreitet voran.
Wem hilft sie also?
All diese modernen Krankheiten, von Alkoholismus über Burn Out zum Rassismus sind Reaktionen des Menschen auf die menschenverachtenden Spielregeln der kapitalistischen Gesellschaft, indem man sie pathologisiert lenkt man von den wahren Ursachen dieser sogenannten Krankheiten ab. Der Betroffene wird entmündigt, ihm wird keine Schuld für sein Fehlverhalten gegeben, vielmehr entschuldigt dieses Fehlverhalten ihn und seine daraus resultierenden Taten: Er kann nichts dafür, er ist krank. Als Kranker kann er resozialisert werden, er kehrt geheilt Heim in den Mutterschoß jener Gesellschaft, die ihn de facto krank machte & das Beste: Er weiß es in der Regel nicht einmal...

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