Freitag, 16. April 2010

Die traumatisierte Gesellschaft 2

oder:
Warum ich kein Scientologe bin


Wie fest der Begriff Trauma im Denken des eindimensionalen abendländischen Menschen verwurzelt ist, zeigt ein Blick auf die Scientology Kirche.
Scientology ist eine Kirche, keine Religion, eine Religion besitzt stets den Gedanken der Suche nach etwas Heiliges, sei es Gott, seien es Götter, sei es eine Weltseele. Dies hat Scientology nicht. Es geht im wesentlichen um die Selbstverwirklichung des Menschen.
Als solches mag ich Scientology, die Kirche besitzt einen klar gegliederten Aufbau, sie verzeichnet große Erfolge z.B. bei der Drogenbekämpfung, ihre Mitglieder sind stets offen auch für kontroverse Meinungen...
& Ron Hubbard war einfach genial. Kein Vergleich etwa zu dem Einfaltspinsel Joseph Smith. Hubbard gelang es, ob Absicht oder nicht, die Zeitströmung mit seiner Dianetik zu mindestens 100% auszunutzen und mittels primitivster Logik der Küchenpsychologie quasi eine Bibel zu schaffen.
Daß dieses längst Bekannte, jedem gesunden Menschenverstand Offenbare, nicht einmal gut Geschriebene zur Heilsbotschaft für viele Menschen wurde, ist sicher ein genialer Zufall und - wie gesagt - der Zeit geschuldet. Wäre Hubbards Dianetik 30 Jahre früher oder 30 Jahre später erschienen, es würde heute kein Hahn mehr nach ihr krähen. Das Buch erschien indes wie ein UFO am Himmel über den brainwashingprogrammelnden, geheimwaffenausbrütenden kalterkriegsparanoiden USA & selbst der CIA fand Gefallen daran...
Dennoch: Hubbards Lehre ist durchaus ausbaubar - so lange sie auf dem Boden des gesundes Menschenverstandes bleibt, sie basiert stark auf dem Buddhismus, übernimmt von ihm eine Reinkarnationslehre...
Was uns Scientology sympathisch macht ist die Imperialismuskritik gemäß des alten Frank-Zappa-Satzes Man muß das Establishment mit den Mitteln des Establisments schlagen (und darin ist die Scientology Kirche unschlagbar!), die Entlarvung der Pharma-Mafia als solche und die Ablehnung jener von der kapitalistischen Gesellschaft geförderten und ausgenutzen Schreibtischtäter, deren Weltbild das des Abendlandes von ca. 1880 ist und die nach ihrem Geschmack, ihrer Geldsucht und Eitelkeit Krankheiten kreieren, die sie in seltenen Fällen auch heilen können.
Diese perversen Geisteskranken sind es, die - wie in Teil 1 beschrieben - von den Ängsten der eindimensionalen Welt leben, Traumata erfinden - und Menschen ob dieser angeblichen Traumata pathologisieren.
Ist die Kritik von Scientology an diesen Perversen excellent zu nennen (d.h. mitunter besser als unsere), so versagt Scientology in der Praxis kläglich, erweist sich als Kirche der gleichen Realität, deren Pseudoreligionen sie bekämpft, indem sie von diesen das Bild und die Funktion der Traumata unhinterfragt übernimmt.
Denn die Lehre von Scientology besagt: Jeder Mensch ist traumatisiert. - Damit geht die Kirche weiter noch als die meisten Psychiater. Und der nächste Schritt: Jeder Scientologe muß sein Trauma auflösen. Und nicht irgendein Trauma; sondern jedes Trauma, das den Mensch in all seinen irdischen Inkarnationen heimsucht ist nur die Wiederholung des Urtraumas, das vor Millionen Jahren ihn auf einem anderen Planeten ereilte.
Hubbard als SiFi-Autor in allen Ehren, aber dieser Blödsinn unterstreicht, daß auch für Scientology die Angst (jedes Trauma ist Folge von Angst) das Grundprinzip der Welt ist. Und damit bleibt Scientology - obwohl man oberflächlich einen anderen Eindruck gewinnen könnte - in der gleichen eindimensionalen Realität jener stecken, die diese Kirche bekämpft.
Zur Bekämpfung der Gralshüter der Ängste der Menschen kann man also Scientology durchaus als Verbündeten benutzen, für eine angstfreie Realität taugt diese Kirche allerdings überhaupt nicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen