Donnerstag, 26. November 2009

Das Richard-Strauss-Virus

Ende 1935 beendete Richard Strauss seine fruchtbare Zusammenarbeit mit Stefan Zweig, um sich den Nationalsozialisten bedingungslos anbiedern zu können. Er komponierte die Eröffnungsmusik zu den Olympischen Spielen von 1936 und schrieb u.a. 1943 ein Dankeslied für den späteren Kriegsverbrecher, dem Generalgouverneur von Polen Hans Frank. Strauss Liebe stieß bei den Nazis auf Gegenliebe, Ehrungen, Auszeichnungen usw. häuften sich...
Die Nazis gingen vorüber, Richard Strauss' Ruhm blieb. Zwar starb er 1949 wenige Monate nach Gründung der Bunten Republik Deutschland und ca. einen Monat vor der der Deutschen Demokratischen DDR. Indes blieb Richard Strauss auf der Westseite des Kalten Krieges der Große Komponist, zu dem Hitler ihn gemacht hatte, und wurde zu seinem 5.Todestag mit einer Briefmarke geehrt.
Das Richard-Strauss-Virus brach in jenen Jahren zwischen dem Ende des Dritten Reiches und der Gründung seines Nachfolgestaates beim Namensgeber aus:
In diesen Jahren stellte eben jener Richard Strauss einen Antrag, als Verfolgter des Nationalsozialismus anerkannt zu werden. Begründung, zwischen 1939 und 1945 war seiner halbjüdischen Schwiegertochter Alice das Reiten in der Öffentlichkeit untersagt worden.
Klaus Mann schreibt darüber ausführlich in Der Wendekreis.
Zwar ist ein ähnliches Verhalten wie das des deutschesten aller deutschen Komponisten zuvor in der Geschichte millionenfach erprobt worden, aber die Chruzpe, die Strauss an den Tag legte, fast einzigartig. Sie gibt uns das Recht, vom Richard-Strauss-Virus zu sprechen, ebenso wie man vom Sadismus spricht, dessen Namensgeber weder den Sadismus erfand, ja, ihn vielleicht nur in seinen Schriften auslebte.
Damit ist angedeutet, daß auch dieser Vergleich hinkt. De Sade war gegenüber eines Gilles de Rais z.B. ein Heiliger. Richard Strauss hingegen ist ein würdiger Krankheitsnamen-Träger. Man stelle sich vor, in den Jahren, in denen das ganze Ausmaß der Nazi-Verbrechen an den Juden der (auch deutschen) Öffentlichkeit bewußt gemacht und bewußt wurde, fühlt sich der Komponist als Opfer, weil seiner Schwiegertochter ein ohnehin priviligiertes Freizeitvergnügen untersagt worden war! Ein jeder Jude müßte sich noch heute von diesem Richard Strauss verhöhnt und beleidigt fühlen!
Zurück zur Krankheit: Gerade in politischen Umbruchzeiten tritt das RS-Virus als Epidemie auf. Nach der Annexion der DDR z.B. befiel das Virus Hunderttausende wenn nicht Millionen der Bürger des eroberten Landes.
Hier die Fall-Geschichte einer eher harmlos verlaufenden RS-Virus-Erkrankung: V. ist treuer und überzeugter DDR-Bürger, er ist Funktionär einer sogenannten Block-Partei, verheiratet usw. V.'s Schwester geht mit ihrem Ehemann, ein als Staatsfeind verschrienes Subjekt, nach dem Westen; Grund für V., da diese nicht gewillt sind den Kontakt zu der Sozialismus-Verräterin, den seinen zu ihren gemeinsamen Eltern abzubrechen. Nach dem Zusammenbruch seines Heimatstaates klärt V. schnell dieses Mißverständnis auf, ebenso das, er sei ein Getreuer des DDR-Sozialismus gewesen. Mit Hilfe des RS-Virus gelingt es ihm scheinbar spielend, sich nun als überzeugter BRD-Bürger zu fühlen, ja, er wird sogar Staatsdiener, macht bei der Polizei Karriere und rühmt sich bis heute, daß er dort ungestraft seine Ausländerfeindlichkeit ausleben kann (Fitschis aufmischen, nennt er es wohl im Polizei-Jargon).
Vielleicht können wir jetzt eine Krankheitsbeschreibung der Richard-Strauss-Virus-Befallenen versuchen: Das RS-Virus tötet die Keime einer eigenen Meinung und Gesinnung restlos ab und verstärkt gleichzeitig alle sogenannten Niederen Triebe (Vgl. S.Freud). Es verhindert die Möglichkeit der Selbstreflexion oder schränkt sie zumindest stark ein. Zwar tritt das RS-Virus in der ganzen Welt auf, in Deutschland scheint es allerdings seit je her epidemisch verbreitet zu sein.

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