Mittwoch, 11. November 2009

Selbstmörder Opfer

In Berlin enden jährlich ca. 1000 Selbstmordversuche erfolgreich. 7% dieser Lebensmüden springen vor die U- bzw. S-Bahn. Die Tendenz ist steigend.
Etwa 75% der Zugführer werden durch diesen Zwischenfall, der sie zufällig zum Opfer eines Suizidalen werden läßt, traumatisiert. 25% so stark, daß sie ihren Beruf nicht mehr ausüben können.
Dies sind Durchschnittszahlen der unterschiedlichen Untersuchungen, die es zum Thema bereits gibt und die natürlich nicht nur auf Berlin bezogen sind. Juristisch müßte jeder Suizidale, der auf die Gleise oder vor ein Auto springt, zumindest den Tatbestand der Nötigung erfüllen.
Gefährlicher sind natürlich Selbstmörder, die Amok laufen. Nach Erich Fromm ist jeder Amoklauf ein Selbstmord, ein Selbstmord mit der Absicht dabei so viele der gehaßten Mitmenschen mitzunehmen wie möglich. Fromm versteift sich sogar zu der These (die hier nicht näher untersucht wird), der 2.Weltkrieg sei der gigantisch inszenierte Selbstmord eines nekrophilen größenwahnsinnigen Menschenfeindes gewesen.
So mag es sich auch mit jenen Selbstmördern verhalten, die Großbrände oder -Explosionen herbeiführen, um darin mit vielen anderen, die es nicht wollen, zu sterben.
Dagegen steht der private Selbstmord, der Selbstmord im stillen Kämmerlein oder im finstren Wald, ohne Zeugen, ohne Publikum... Der Suizid dessen, der mit dieser Welt wirklich abgeschlossen hat, und der deshalb keine Mitmenschen braucht, um sein ihm zu schwer gewordenes Leben zu beenden oder dieses Ende zu bezeugen...
Diese Form des Selbstmordes ist die einzige, die wir respektieren, wenn auch - aus unserem religiösen Wissen heraus - nicht gut heißen können.
Wie verhält es sich nun mit den Gleise-Springern? Man wende nicht ein, es wären Kranke. Krank ist jeder Selbstmörder. Doch es gibt keine Depression, die verhindern kann, daß der zum Opfer des Suizidalen erwählte Zug- oder Autofahrer als autonomer Mensch zu betrachten ist, der das Recht auf ein gesundes Leben ebenso hat wie der Selbstmörder das, seinem Leben ein Ende zu setzen.
Warum also ist der Trend des Vor-Den-Zug-Springens fast progressiv ansteigend?
Ich weiß es nicht. Mag sein, daß es Feigheit ist, daß der Suizidale zu feige ist, sich selbst die tödliche Dosis Gift zu geben oder einen Kopfschuß... Die Entwicklung der Selbstmörder nähme demnach die, die Watzlawick für die in dieser Gesellschaft Lebenden beschreibt: Der Mensch der degenerierten kapitalistischen Gesellschaft verliert die Fähigkeit des selbständigen Handelns, er ist unfähig für sein Handeln Verantwortung zu übernehmen, selbst wenn dieses Handeln zum Verlöschen seiner kranken irdischen Existenz führt.
Vielleicht ist es aber auch nur Egoismus und Ignoranz, selbst für sein Sterben andere benutzen zu müssen? Ein Selbstmord kann Würde haben, ein Selbstmörder, der andere für seine Tat benutzt, beweist - wie immer er zuvor gelebt hat - nur seine Erbärmlichkeit.
Sei's wie es sei. Nach unserer Überzeugung ist Selbstmord nicht nur Feigheit und Egoismus sondern Mißachtung des Schicksals, Selbstmord befreit nicht von Karma, er belastet uns damit. Und auch die Schuld gegenüber jenen, der der Suizidale als seinen Henker wider Willen quasi mißbraucht, nimmt er mit ins nächste Leben.

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